Wie gehen Schwimmclubs aus Grenzach, Lörrach und Weil mit der Corona-Krise um? (Badische Zeitung, 16.04.2020)

Kein Training im Wasser: Die Schwimmclubs aus Grenzach, Lörrach und Weil sitzen aufgrund der Corona-Krise auf dem Trockenen. Eine Pause mit unklaren Folgen. Ein Verein setzt auf Skype-Training.

Zug um Zug elegant durchs Wasser gleiten – den Schwimmern ist das derzeit nicht möglich. Weder im Training, noch im Wettkampf. Foto: Robert Schlesinger
Zug um Zug elegant durchs Wasser gleiten – den Schwimmern ist das derzeit nicht möglich. Weder im Training, noch im Wettkampf. Foto: Robert Schlesinger

Lörrach. Der 15. März war in diesem Jahr wieder ein Fixpunkt für den SSV Grenzach: das Pokalschwimmen stand an. Doch parallel verschärfte sich die Corona-Krise. Darüber, ob man das traditionsreiche Turnier durchführen solle, gab es im Verein "kontroverse Diskussionen", wie Björn Tesche, Pressesprecher und Beisitzer im SSVG-Vorstand, sagt. Man entschied sich dann zur kurzfristigen Absage. Und nach dem Wochenende "waren alle überzeugt, dass es die richtige Entscheidung war", so Tesche. Denn die behördlichen Maßnahmen wurden verschärft, Schwimmbäder geschlossen. 

 

Seitdem sitzt jene Sportriege, für die das nasse Element so elementar ist, auf dem Trockenen. Es sei eine schwierige Situation, sagt Andreas Pannach, Abteilungsleiter und Trainer beim TSV RW Lörrach. "Am 7. und 8. März sind wir noch die Bezirksmeisterschaft geschwommen." Kurz zuvor war die Männer-Mannschaft in die Oberliga Baden-Württemberg aufgestiegen, die Frauen wurden Badenliga-Dritte. Das Sportjahr begann gut für die Lörracher Schwimmer. 

 

Wochenpensum zwischen zehn und 15 Kilometern

 

Nun hängen aber auch sie in der Warteschleife. Sechs bis sieben Stunden pro Woche trainieren seine Wettkampfschwimmer im Wasser, erläutert Pannach. Er und Martin Bößwetter, Trainer bei der SSG Weil, sehen dabei ein regelmäßiges Wochenpensum zwischen zehn und 15 Kilometern. "Das fällt derzeit weg – und das bei einem kleinen Verein wie dem TSV RW Lörrach", sagt Pannach. 

 

Zwar können die Schwimmer im Trockenen Ausdauer- oder Krafttraining betreiben, für die Sprintstrecken könne das "eine gewisse Grundsubstanz" ermöglichen, so Pannach. Doch was sich nicht ersetzen lässt, sind schwimmerische Kondition und Trainingsarbeit im Becken. "Schon wenige Tage Unterbrechung führen dazu, dass das Wassergefühl leidet", sagt Tesche. Und "Trainer feilen an der Technik", erklärt Bößwetter, "die Pläne sind darauf ausgerichtet, zu den Wettkämpfen optimal vorbereitet zu sein".

 

SSV Grenzach mit Trocken- und Theorietraining via Skype

 

Der Badische Schwimm-Verband (BSV) und der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) böten online Trainingspläne und Übungen an, so der Weiler Coach. Beim TSV RW habe Natalie Schreiber Trainingspläne im Kraft- und Athletikbereich zusammengestellt und an die Sportler verschickt, so Pannach. Aber klar sei auch: "Jeder ist für sich verantwortlich." 

 

Die Grenzacher haben über Skype eine Trainingsgruppe eingerichtet. Täglich ab 17 Uhr versammeln sich zwischen zehn und 20 Athleten vor Fernsehern oder Tablets für einstündiges Trockentraining, wie Tesche erklärt. Wochenends und an Feiertagen kommt vormittags eine Theorie-Einheit hinzu: SSVG-Trainer Daniel Klein steht dann für Fragen beispielsweise zu Schwimmtechniken, Wettkämpfen oder Ernährung zur Verfügung.

 

"Teilweise werden wir bei Null anfangen müssen." (Lörrachs Abteilungsleiter Andreas Pannach)

 

Wenn die Schwimmer ihren Trainingsalltag im Wasser wieder aufnehmen können, sieht Pannach eine besondere Problematik. Kehrt ein einzelner Sportler nach einer längeren Pause zurück, können die Trainer individuell auf ihn eingehen und den Leistungsaufbau leiten. Nun aber seien es 70 bis 80 Schwimmer auf einen Schlag, die alle über unterschiedliche Ausgangslagen verfügen werden. Beim TSV reiche die Spannweite von Wettkampfsportlern "von sechsjährigen Kindern bis zu Erwachsenen mit 65 Jahren". Alter und Trainingsmöglichkeiten sind einer mehrerer Faktoren, welche die Ausgangslage sehr individuell gestalten.

 

Eine pauschale Aussage, wie lange es dauert, um das bisherige Leistungsniveau wieder zu erreichen, lässt sich daher nicht treffen. "Teilweise werden wir bei Null anfangen müssen", schätzt Pannach. "Sich im Wasser zu bewegen, fehlt einfach", sagt der RW-Coach, das sei "wie ein Fußballer ohne Ball". Und so fasst Pannach die Sehnsucht nach dem geliebten Terrain markant zusammen: "Das wichtigste ist: das Wasser wieder zu fühlen."

 

"Das erste Mal fühlt man sich wie eine bleierne Ente." (Weil-Trainer Martin Bößwetter)

 

Drei bis vier Wochen dauere es, um wieder eine Grundschnelligkeit reinzukriegen, meint Bößwetter. "Das erste Mal fühlt man sich wie eine bleierne Ente", sagt der Weiler Trainer über die Rückkehr ins Becken. Dann aber gingen die Zeiten wieder runter, ehe die Phase beginnt, "in der jede Sekunde hart erarbeitet ist". Doch für Bößwetter und Pannach ist es nicht allein der Wettkampf, das gewohnte Gefühl, sich durch das Wasser zu bewegen, das sie vermissen. Auch sich vor oder nach Einheiten zu besprechen, gemeinsam den Schwimmsport zu leben – es fehlt "das Soziale, was den Sport ausmacht", sagt Pannach. Sein Weiler Kollege verweist beispielsweise auf das Lahrer Sommerschwimmfest: "Ein schöner Wettkampf, familiär", man treffe viele Kollegen anderer Clubs, hebt Bößwetter den gesellschaftlichen Charakter hervor. 

 

Eine kleine Sorge bereitet Pannach, dass der ein oder andere Sportler durch die Zwangspause möglicherweise die Bindung zum Schwimmen, – die Lust daran – verlieren könnte. Wie viel Zeit das Hobby einnimmt, zeigen Pannach selbst die nun freien Trainingsabende auf. Ob als Aktiver oder als Trainer – mehrere Stunden in der Woche verbringt er im Schwimmbad. Dazu komme noch Vor- und Nachbereitung, so Bößwetter.

 

Offene Gewässer keine Alternative

 

Mit dem Training beispielsweise auf Badeseen auszuweichen, ist für Pannach keine Option. Einerseits stehen Gruppenübungen die behördlichen Anordnungen entgegen, und noch sind die Wassertemperaturen ohne Neoprenanzug zu kalt. Vor allem aber schließt er offene Gewässer als offizielle Trainingsalternative für seine Abteilung generell und kategorisch aus. Dies unter Sicherheitsaspekten: In Schwimmbädern ist das Wasser klar, die Becken nur wenige Meter tief, schnelle Rettungsketten sind gesichert. In den weitaus tieferen Badeseen hingegen gibt es keine klare Sicht, die Rettungswege sind zu lang.

 

So heißt es Warten. Wobei Pannach davon ausgeht, dass die Hallenbäder vor den Sommerferien nicht mehr aufmachen. Für die Freibäder sei eine Prognose nicht absehbar. So haben er und Bößwetter vorerst die Bezirksmeisterschaft in Lörrach im Oktober im Blick. Die Sehnsucht ist groß. "Und irgendwann", sagt Tesche, "braucht es das Wasser, den Wettkampf."