Schwimmbezirk fürchtet den Wegfall ganzer Jahrgänge (Badische Zeitung, 30.11.2020)

„In eine ungewisse Zukunft gedacht“: Seit Anfang März gab es im Schwimmbezirk keinen Wettkampf mehr. (Foto: Bernd Thissen)
„In eine ungewisse Zukunft gedacht“: Seit Anfang März gab es im Schwimmbezirk keinen Wettkampf mehr. (Foto: Bernd Thissen)

Für kein anderes Metier ist Trockentraining derart zutreffend wie für den Schwimmsport. Seit über acht Monaten gab es im Bezirk keinen Wettkampf mehr. Christian Mittas aus Steinen ist Vorsitzender des Schwimmbezirks Oberrhein und spricht über drohende Folgen und die Lobby des Schwimmsports.

 

BZ: Herr Mittas, wann waren Sie das letzte Mal schwimmen?

Mittas: Im September, im Rhein. Die Bädersituation war schwierig. Wir waren ein paar Mal in den lokalen Freibädern, aber seltener als in den Jahren zuvor.

 

BZ: Seit Mitte März sind die Bäder mal zu, mal offen, nun wieder geschlossen. Wie ist die Stimmung im Bezirk?

Mittas: Bevor die aktuellen Maßnahmen in Kraft traten, recht gut. Mittlerweile schlechter. Die Bäder sind seit vier Wochen zu, vier weitere kommen hinzu. Es fehlen wieder zwei Monate Wasserfläche zum Training. Manche Bäder öffnen überhaupt nicht, was ich aus Kostengründen nachvollziehen kann. Für die sporttreibenden Vereine ist es natürlich schlecht.

 

Christian Mittas

Der 52-Jährige vom TSV RW Lörrach ist seit 2016 Vorsitzender des Bezirks Oberrhein und wurde zu Jahresbeginn für eine zweite Amtszeit über vier Jahre bestätigt. Zudem engagiert er sich als Kampfrichter. Der Familienvater (ein Sohn) arbeitet in der Dokumentation eines Anlagenbau-Unternehmens.

 

BZ: War für den TSV RW Lörrach und SSV Grenzach ein Trainingsbetrieb möglich?

Mittas: Über den Sommer ging eigentlich alles gut. Man musste sich mit den lokalen Hygienebedingungen arrangieren und konnte es einigermaßen aufrechterhalten. Ebenso in der Hallensaison. Ein Dank gilt hier den Badbetreibern sowie den Vereinen.

 

BZ: Das Laguna Bad, die Heimat der SSG Weil, ist seit März geschlossen.

Mittas: Die SSG hatte nur sehr eingeschränkte Trainingsmöglichkeiten in der Weiler Kleinschwimmhalle. Den Wettkampfschwimmern und Wasserballern fehlen die Wasserflächen.

 

BZ: Welche Sorgen haben Sie?

Mittas: Dass sich Kinder vom Schwimmsport abwenden, sich dies bei den Vereinen in den Mitgliederzahlen bemerkbar macht und damit eventuell Finanzierungsprobleme auftauchen. Ganze Jahrgänge könnten wegbrechen, die wir für unsere Kader benötigen. Und ohne Bäder wird es schwer, mit dem Trainingsbetrieb die Grundlagen für die Wettkämpfe zu schaffen. Wir planen zwar, im neuen Jahr mit Wettkämpfen zu starten. Aber das ist in eine ungewisse Zukunft gedacht.

 

"Mit Training lässt sich vieles abdecken, aber Wettkämpfe sind die Krönung dafür."

 

BZ: Der letzte Wettkampf im Bezirk fand Anfang März statt. Wie wichtig sind diese Veranstaltungen für die Sportler?

Mittas: Mit Training lässt sich vieles abdecken, aber Wettkämpfe sind die Krönung dafür. Man kann sich mit anderen Vereinen und Sportlern messen, für höhere Wettbewerbe qualifizieren, es werden Prognosen daraus gezogen. Das fehlt alles. Die Bedingungen im Training sind nicht die gleichen: Wie kommen Athleten mit der Wettkampfsituation klar? Aus den aktiven Schwimmern lässt sich auch Personal für die Administration in den Vereinen – Trainer, Kampfrichter, Vorstand – gewinnen. Sie könnten dort irgendwann fehlen. Vielleicht gibt es dann die Phase, in der ein Verein sagt: Wir können nicht mehr. Das ist das Risiko, was ich und viele meiner Vorstandskollegen sehen.

 

BZ: Ein weiteres Problem ist: Die Zahl der Bäder nimmt sukzessive ab.

Mittas: Wir haben ein Bad im Freiburger Umland , das voraussichtlich für den Trainingsbetrieb nicht mehr zur Verfügung stehen wird. Diese Trainingsfläche fehlt aktuell, überhaupt die Wasserfläche für die ganze Bevölkerung. Ich hoffe, dass das Bad in Steinen wieder geöffnet wird. Die Situation wird sich hoffentlich nicht verschärfen. Die Schwimmverbände werden dagegen ankämpfen, damit überhaupt Wasserflächen für Alle weiterhin zur Verfügung stehen werden.

 

BZ: Hat der Schwimmsport keine Lobby?

Mittas: Er hat eine Lobby, aber die ist noch nicht so stark wie in anderen Sportarten. Wir können nicht immer so präsent sein wie etwa der Fußball. Wir sind von den Wettkampfstrukturen anders organisiert, es gibt nicht jedes Wochenende im Rundenmodus durchgeführte Wettkämpfe wie in der Fußball-Bundesliga.

 

BZ: Welchen Mehrwert sehen Sie im Schwimmsport?

Mittas: Alle Organisationen – seien es reine Schwimmvereine, die DLRG oder Taucher – bieten ein Grundlagentraining und die Möglichkeit, Erfahrung und Sicherheit im Wasser zu sammeln. Indem sie Personen im Schwimmen ausbilden, vermitteln sie eine Sicherheit, wie man sich im Wasser verhalten sollte – das minimiert das Risiko tödlicher Unfälle. Diese Arbeit sollte gewährleistet bleiben.