Kneipengezeichnet im kühlen Nass (Badische Zeitung, 27.06.2018)

Eine eng getakteter Spieltag liegt hinter den Wasserballern der SSG Weil: drei Verbandsligapartien in 20 Stunden – und dazwischen den deutschen WM-Sieg feiern.

Der Altersschnitt kreist um die 40, „Nachwuchs ist kaum da“, sagt Pio Reuter. Foto: Gerd Gründl
Der Altersschnitt kreist um die 40, „Nachwuchs ist kaum da“, sagt Pio Reuter. Foto: Gerd Gründl

WASSERBALL. Nach einem Mammutwochenende stehen die Weiler Wasserballer in der Verbandsliga weiter auf dem dritten Rang. Der rosige Schein der Tabelle trügt aber: Da nur wenige Teams in Hallen-, sondern nur in Freibädern antreten, haben die Hochrheiner traditionell in der ersten Saisonhälfte Oberwasser. Wassersportler, die sich nach Nachwuchs sehnen.

 

Mangelnde Schmerztoleranz kann man ihnen bei der SSG nicht nachsagen. "Die Knochen tun schon weh", murmelt ein geschaffter Markus Florian. Der stärkste Angriffsspieler der baden-württembergischen Verbandsliga hat mit seinen Weiler Wasserballkollegen ein Marathonwochenende hinter sich. Innerhalb von 20 Stunden mussten sie drei Partien bestreiten, "und dazwischen noch den WM-Sieg der Nationalmannschaft gegen Schweden feiern", ergänzt der lachende Spielertrainer Pio Reuter, der gesteht: "Den Kopf kann ich die nächsten Tage erst einmal nicht bewegen."

 

Für das intensive Wochenendprogramm gibt es zwei Gründe: Zuvorderst hat die Kollision der Spielpläne der Wasserball-Verbandsliga und der Fußball-Weltmeisterschaft den Weilern die übersäuerten Muskeln beschert. "Wir versuchen immer, mit Doppelspieltagen zu planen", erklärt Reuter. Dieses Jahr fiel das Rückrundenspiel gegen den PSV Stuttgart II aber auf das Datum des WM-Finals. Also trickste der Trainer und legte die Partie auf einen anberaumten Doppelspieltag.

 

Der daraus resultierende Reiseplan liest sich beängstigend: Samstag, 15:30 Uhr Auftakt in Stuttgart, danach in den Mannschaftsbus und Fahrt zur zweiten Partie beim SV Göppingen. Einchecken ins Hotel und dann Public-Viewing in der Vereinspizzeria bis in die späten Abendstunden. Nach kaum sechs Stunden Schlaf folgt der Aufbruch zum letzten Spiel des Wochenendes bei der SG Reutlingen/Tübingen. Um 11 Uhr. Als der Normalverbraucher am Sonntag zur zweiten Frühstücksstulle greift, springen die Weiler Wasserkünstler mit schmerzenden Knochen und kneipengezeichnet ins 22 Grad kühle Nass. Immerhin: Die Ausbeute kann sich sehen lassen: Gegen den Tabellenführer Stuttgart (11:20) hielten die Weiler Ballsportler phasenweise mit, gegen Schlusslicht Göppingen (23:10) ließen sie nix anbrennen und in Reutlingen (6:15) fehlten beim Vierten letztlich die Körner. Wer will es ihnen verdenken.


Der zweite Grund für den Dreifach-Spieltag wiegt indes schwerer: "Es ist schwierig, eine Saison ohne Spielabsagen durchzuziehen. Uns fehlt der Nachwuchs", gesteht der Spielertrainer. Der 40-Jährige schwimmt und wirft seit mehr als zwei Jahrzehnten am Hochrhein. Der Kern seines ehemaligen Jugendteams stellt heute noch immer das Gros des Kaders.

"Wir sind schon ein wenig ein Altherrenclub", schmunzelt der 39-jährige Torgarant Markus Florian, der die Center-Position einnimmt und schon 79 Tore erzielt hat. Der Altersschnitt der Reuter-Truppe kreist um die 40, Markus Florian ist dabei einer der wenigen, der bereits höherklassig gespielt hat. In Mannheim und München teilweise sogar zweite Bundesliga. "Richtig Nachwuchs ist kaum da", sagt Reuter. Florian ergänzt: "So ist es fast überall, nur wenige Standorte können sich halten." Mit ihren Nachwuchssorgen stehen die Weiler stellvertretend für den gesamten Sport. Die älteste olympische Mannschaftssportart überhaupt ist hierzulande in der Krise.

Profis gibt es nicht. Als der deutsche Rekordtorschütze Rainer Hoppe vor zwei Jahren zum Vorsitzenden des Fachausschusses innerhalb des übergeordneten Schwimm-Verbands gewählt wurde, klagte er: "Wenn Wasserball ein Flugzeug wäre, würde aktuell kein Passagier einsteigen." Dabei mischte Deutschland in den 1980er-Jahren international munter mit. Hoppe holte 1984 in Los Angeles mit der Nationalmannschaft Bronze. Seit Peking 2008 gelang allerdings nicht einmal mehr die Qualifikation. Flaute im Wasser.

 

Da wundert es kaum, dass ein Oberliga-Aufstieg in Weil trotz des derzeitigen dritten Platzes keinem in den Sinn kommt. "Die Tabelle täuscht ohnehin", erklärt Reuter. Noch so ein Beleg für die Probleme des Sports: Da Weil einer der wenigen Vereine ist, der in einem Hallenbad trainieren kann, absolviert die SSG zumeist die gesamte Hinrunde während der Wintermonate zu Hause im Laguna-Bad. Und hat dabei einen massiven Vorteil: "Unser Becken ist viel kleiner und die anderen Teams können zu dieser Zeit noch nicht trainieren", verrät der Mannschaftskapitän.

Sie werden weitermachen in Weil. "Keiner will, dass es hier zu Ende geht", sagt Torjäger Markus Florian. Und so werden die alternden Fitnessbolzen der SSG weiter auf die Zähne beißen. Schmerzende Knochen haben sie noch selten aufgehalten.